ART Magazin

August 2025

Der Architekt Jürgen Mayer H. lässt einen Pfeil in die Fassade des Berliner Humboldt-Forums bohren.

von Gesine Borcherdt

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Der Architekt Jürgen Mayer H. lässt einen Pfeil in die Fassade des Berliner Humboldt-Forums bohren

Bald wird ein Pfeil in der Fassade des HUMBOLDT-FORUMS feststecken. Er weist nach Süden, als wollte jemand sagen: Da geht’s lang! Fast so, als hätte sich der Pfeil von Google Maps verselbststän­digt und die sonst übliche Nord­ausrichtung gewechselt -mit der dezenten Ansage, dass man ja vielleicht die Blickrichtung wechseln könne, um die Welt einmal anders zu sehen. Tatsächlich ist genau das im HUMBOLDT-FORUM gefragt: Die ethnologische Sammlung des Hauses weist vor allem auf die Geschichte des »globalen Südens«, an die man beim Pfeil­thema ohnehin schnell denkt. Da schießen einem das vorkolo­niale Afrika oder die indigenen Amazonaskulturen durch den Kopf, obwohl in der Steinzeit auch in Europa Pfeile geschos­sen wurden. Erfunden wurde der Pfeil dennoch wohl in Südafrika, und zwar vor rund 61000 Jah­ren. All diese und noch viel mehr Assoziationen in eine minima­listische Geste zu gießen, da­mit hat der Berliner Architekt und Künstler Jürgen Mayer H. gerade den Kunst-am-Bau­ Wettbewerb für die umstrittene Stadtschlosskopie gewonnen, in der das HUMBOLDT-FORUM seinen Sitz hat. Die wie aus dem 3D-Drucker gestanzte Ode an das Preußen­ und Christentum mit minima­listisch-moderner Stirnseite , ist der nach vorn denkenden Kunst-und Architekturszene ein Dorn, nein ein regelrechter Pfeil im Auge. Umso erstaunlicher ist das Bekenntnis von Jürgen Mayer H., der für seine Science­Fiction-artigen Skulpturbauten und knallbunt-futuristischen Interieurs bekannt ist: »Ich habe das HUMBOLDT-FORUM inzwi­schen beinahe lieb gewonnen.« Was ihn besonders fasziniere, sei die Geschichte mit den Störchen, von denen man lange nicht wusste, wohin sie in der kalten Jahreszeit verschwinden. 

Erst als einige mit Pfeilen im Körper zurückkamen, wusste man, wo sie gewesen waren. So erfuhr man viel über ihre Migrationsrouten in Afrika.« Die STIFTUNG HUMBOLDT-FORUM IM BERLINER SCHLOSS beabsichtigte, »durch ein Werk der zeitgenössischen Kunst den programmatischen Anspruch des HUMBOLDT­-FORUMS und seiner hier versam­melten Akteure für eine breite Öffentlichkeit sichtbar zu ma­chen.« Außerdem galt es, »das durch Rekonstruktionen mo­narchischer Elemente geprägte Umfeld des Lustgartens und der Straße Unter den Linden als Teil eines demokratischen, viel­fältigen und offenen Raums zu markieren, bei Bedarf auch in kritischer Reflexion mit den Barockfassaden.« Die Jury des Wettbewerbs war daher von der pointierten Subtilität begeistert, die Mayer H.s Pfeil an den Tag legt. »Es ist ein Kunstwerk, das in seiner Ambivalenz provoziert, hinter­fragt und zugleich zur Reflexion anregt. Der Pfeil ist vielfältig lesbar -als Richtungspfeil, als Waffe und Werkzeug, die dem überleben dienen, als Kultur­artefakt entfernter Völker oder auch als Symbol für rhetorische Attacken. Ebenso dient er als Forschungsobjekt von Migra­tionsmustern und kultureller Vielfalt.« Im Kontrast zu der massiven, bedeutungsschwan­geren Fassade strahle der Pfeil Einfachheit und Offenheit, Einladung und Angriff aus. Es ist der siebte Kunst-am-Bau­ Wettbewerb des HUMBOLDT­-FORUMS in einer Reihe von künstlerischen Eingriffen, die bisher zwischen 2019 und 2021 in verschiedenen Bereichen des Gebäudes entstanden. Für die Realisierung stehen 120 000 Euro zur Verfügung.


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