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Commissioned speculation

Year:
2014

Auf der Suche nach einer neuen Bestimmung

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Berlin sollte das ICC als prägnantes Zeitzeugnis bewahren und so eine Schicht seiner jüngeren Historie erhalten. Zusammen mit Egon Eiermanns Neuer Gedächtniskirche (1961) ist das ICC das Gesicht West-Berlins der 60er- bis 80er-Jahre. Jetzt ist das ICC ersteinmal geschlossen und treibt noch ohne klare Nutzung orientierungslos der Zukunft entgegen. Verfolgt man die öffentliche Debatte, scheint Alles und Nichts möglich: Totalabriss, Teilabriss oder Umbau. An Ideen für eine neue Nutzung mangelte es bisher nicht, wohl aber an der Finanzierbarkeit oder sinnvollen Realisierbarkeit. Als hochmodernes Kongreßzentrum erbaut, löst sich das ICC mit der Schließung in seiner ursprünglichen Bestimmung als reines Kongresszentrum auf und bietet die grosse Chance, die Zukunft des Gebäudes neu zu denken, ohne seine Geschichte zu vergessen. 
Das ICC nimmt eine ganz besondere Rolle in der Berliner Architektur ein. Es gibt nur wenige Gebäude, bei denen Innen und Außen so gut zusammenspielen wie hier. Und seine Lage ist ein außerordentlicher Auftakt am Stadteingang zu West-Berlin. Die ganz spezifische Innengestaltung sollte soweit wie möglich erhalten bleiben. Es ist wichtig, die gestalterischen Elemente und das, was die Atmosphäre in diesem Bauwerk ausmacht, weiterzuführen. Neue Eingriffe sollten sich einem spannenden Dialog mit dem Bestand stellen und ähnliche Zukunftsneugier, wie das ICC sie damals verkörpert hat, in die heutige Zeit übertragen.

Unser Vorschlag ist, dem jetzigen Prozess mehr Zeit und Luft zu geben. Und dieser Zwischenzustand bräuchte auch ein temporäres neues Gesicht bzw. Aussenhaut. Eine camouflage-artige Hülle verunschärft die Konturen und entrückt das Gebäude so jeglicher klaren Zuordnung. Zugleich tritt es neu „verpackt“, wie ein großer blinder Fleck oder graphisches Rauschen im Stadtraum deutlich hervor. Bis das ICC seine neue Bestimmung erhält, könnte es so ein temporärer Möglichkeitsraum sein. 
Vergleichbare Tarnanstriche, sogenannte „Razzle Dazzle“ wurden für Kriegsschiffe im ersten Weltkrieg durch den Künstler Norman Wilkinson entwickelt, mit dem Ziel diese dem Feind unerkenntlich in Bewegungsrichtung und Größe zu machen und sie so vor Angriffen deutlich zu schützen. Diese Strategie des Tarnanstrichs wird sprichwörtlich auf das „(raum-)schiffartige“ ICC übertragen, das im Moment ohne erkennbare Richtung einer ungewissen Zukunft entgegensteuert. Geben wir dem ICC noch ein wenig Schutzraum. Geschwindigkeit und Richtung bleiben vorerst ungewiss. Oder ist so eine Strategie schon Prototyp, doch schon ein Erlkönig?
 

Partner in charge:
Jürgen Mayer H.

Team:
Dr. Paul Angelier
Simon Kassner

Zu sehen in der Ausstellung

Suddenly Wonderful. Zukunftsideen für Westberliner Großbauten
der 1970er Jahre
Berlinische Galerie
26.5.23 – 18.9.23


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